Gastartikel von Stefan Eschert
Luxus lehne ich gerne ab. Mit dem Luxus kommen die Ansprüche und mit den Ansprüchen kommen die Probleme, die eigentlich keiner haben möchte. Wer nach diesem Prinzip auf Reisen unterwegs ist, erlebt etwas. So erlebten wir kürzlich einen Roadtrip nach Schweden für unter 100 Euro pro Person. Unsere Zutaten dafür: zwei Autos, sieben Freunde, eine Angel und ein paar Zelte. Wir wollten mit der Natur leben, wollten außerhalb der Gesellschaft Schwedens natürliche Schönheit bewundern. Wir entdeckten die Langsamkeit. Es fiel uns am Ende schwer, uns von ihr zu trennen.
Fast schon fürsorglich wiegte der See unser kleines Ruderboot gleichmäßig um die Längsachse. Die Vögel sangen ihren Singsang und die Bäume gaben einen Dauerapplaus mit dem frischen Blattwerk auf das neue Jahr. In gleichmäßigen Abständen hörte man das Auswerfen und Einholen einer Angelrute. Zisch….Blub…KlackerKlacker. Meine Beine baumelten über der Wasseroberfläche und ich genoss das Gesamtkunstwerk dieser Geräuschkulisse.
Diese harte Arbeit hatte jedoch einen Hintergedanken. Wir benötigten noch ein paar Fische für unser Abendbrot. Sonst liefen wir Gefahr einer Lebensmittelknappheit. Während wir der Nahrungsbeschaffung nachgingen, suchten die anderen Reisebegleiter das Feuerholz im Wald und entdeckten wilde Tiere und entlegene Hütten. Am Abend fanden wir wieder alle zusammen und bereiteten gemeinschaftlich die Mahlzeiten zu. Mit Einbruch der Dunkelheit wurde unter dem Sternenhimmel dem Knistern des Feuers gelauscht und über Erlebtes ausgetauscht.
Alles zwanglos und ohne Plan. Jeder für sich und doch wieder alle zusammen. So sah unser Schweden aus, abseits der Gesellschaft.
Dafür bietet Schweden ideale Voraussetzungen:
Das Allemansrätt
Viele träumen davon ganz unkompliziert mit Rucksack und Zelt durch Europa zu reisen und im Einklang mit der Natur zu leben. In Schweden ist das (fast) problemlos möglich. Sofern nicht auf einem Privatgrundstück oder in der Sichtweise von Häusern sein Zeltlager aufgestellt wird, steht dem Wildcamping nichts im Wege. Ohne einen Penny dafür aufwenden zu müssen. Dafür sollte natürlich auch alles so hinterlassen werden, wie es vorgefunden wurde – frei von Müll.
Der freie Zeltplatz
Gerade in Naturschutzgebieten kann es vorkommen, dass Wildzelten nicht gern gesehen wird. Um dennoch ein Gefühl der Wildnis zu bekommen, wurden freie Flächen zur Verfügung gestellt, auf denen kostenlos Zelte aufgeschlagen werden können. Oft gibt es sogar sanitäre Einrichtungen. Sehr entgegenkommend!
Die Nahrungsbeschaffung
Klar, einen Grundvorrat an Lebensmitteln sollte schon im Gepäck sein. In Schweden gibt es sicherlich so viele Seen wie Nachfahren von Dschingis Kahn. Viele Seen gleich viele Fische. Holt also die Angel raus und fischt euch einen leckeren Hecht für das Abendbrot. Yummi! Nichts geht über frisch gefangenen Fisch, der über dem Feuer gebrutzelt wird. Voraussetzung ist lediglich eine Fiskekort, die meist über eine Kasse des Vertrauens beim hiesigen Fischer erworben werden kann.
Wie es mit der Wildjagd aussieht weiß ich nicht. Schusswaffen sind nicht so mein Ding.
Die gegenseitige Rücksichtnahme
Ruhe und in Ruhe gelassen werden. So muss wohl ein ungeschriebenes Gesetz in Schweden lauten. Begegnet man einen Schweden in der wilden Natur, kann man nicht viel erwarten. Jeder möchte für sich bleiben. Wird sich nicht direkt angesprochen, besteht auch kein bedarf einer zwanglosen Konversation. Das gefällt. Jeder möchte auch mal für sich sein und mit seinen Gedanken jonglieren. Lediglich ein Schwede kam auf uns zu, als er seinen Hund zurückholen wollte. Der kleiner Vierbeiner wollte sich von uns seine Streicheleinheiten abholen.
„Du musst ein freundlicher Mensch sein!“, behauptete der ältere Herr.
„Wie kommst du darauf?“, fragte ich, etwas verdutzt.
„Mein Hund geht nur auf freundliche Menschen zu, also musst du ein freundlicher Mensch sein.“
Was benötigen wir also für eine einfache Schweden Reise? Es ist schwer, sich von Dingen zu trennen. Menschen, die wir loslassen müssen; das Verlassen einer großartigen Party; das Ende einer erlebnisreichen Reise – Trennungen schmerzen. Aber manchmal muss es eben so sein. Wenn wir unsere luxuriösen Ansprüche für eine Woche ausblenden und mit dem leben was wirklich zählt, entdecken wir uns vielleicht neu. Frei sein. Und nirgendwo ist die Zeit freier als in der freien Natur. Willkommen in Schweden.
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Stefan ist leidenschaftlicher Reisender und in Berlin gemeldet. Kürzlich schmiss er seinen Job, um endlich Surfen zu lernen. Auf Kaffeeersatz berichtet er über seine Roadtrips, der ewigen Suche nach Abenteuern und Menschen, die voller Inspiration stecken. Folgt ihm auch auf Facebook und Twitter!
Discussion9 Kommentare
Ein sehr treffender Bericht zum wundervollen Schweden! Von dem Allemansrätt habe ich auf meiner Rucksacktour durch Norwegen und Schweden auch umfassend Gebrauch gemacht – die besten Zeltplätze findet man mitten in der Natur!
Wer etwas mehr Zeit hat, kann die Freiheit auch in Norwegen suchen – da habe ich sie auch gefunden 😉
Wo genau ward Ihr unterwegs?
Super Bericht <3 keiner könnte die schwedische Freiheit besser beschreiben als der wortgewannte Stefan 🙂
Sehr schön geschrieben. Wir haben 2015 auch einen Roadtrip nach Schweden gemacht und haben dies für dieses Jahr wieder geplant.
Viel mehr Urlauber sollte so denken wie ihr/du! Ich nicht ausgeschlossen. Einfach mal genießen und entspannen und auf unnötigen Luxus verzichten. Sehr toller Artikel und wahnsinnig gut geschrieben.
Der Beitrag verkörpert so ziemlich perfekt meine Ansichten über Urlaub: Es muss nicht immer das 5 Sterne All Inclusive Hotel auf Malle sein. Wenn man ein Land auf eigene Tour erkundet, so lernt man es eigentlich viel besser kennen. Ich habe letztes Jahr einen Roadtrip durch Polen gemacht (erst Warschau, dann Krakau und anschließend Danzig) und kann es jedem nur weiterempfehlen. Sehr guter Text!
Ihr seid so cool
und sogar sehr
toll
Sehr geil. Da kriegt man Bock auf eine Trekking-Tour. Einfach mal abhauen. Raus aus der Stadt. Raus aus dem Stress. Rein in die Natur. Hab neulich grad einen Bericht gesehen in dem es hiess, dass es für die Psyche unglaublich wertvoll ist im Wald spazieren zu gehen. Das entspannt und man tankt neue Energie. Skandinavien finde ich eh super schön.