Warum Nett-Sein sich manchmal lohnt – Die Beachboys von Sansibar
Man sagt „Nett ist die kleine Schwester von Scheisse“. Und ich behaupte ja immer, dass ich kein netter Mensch bin. Ganz einfach deshalb, damit ich, wenn jemand zu mir sagt „Das war aber nicht nett von dir“, sagen kann: „Ich hab ja auch nie behauptet, dass ich nett bin“. Und schon ist die Diskussion beendet. Ist n bisschen wie ein Freifahrtschein um ab und an ein bisschen nicht-nett sein zu dürfen. Weil sind wir mal ehrlich, wer immer nur nett ist, bei dem stimmt doch was nicht. Ich behaupte ja gar nicht, dass ich ein schlechter Mensch sei, oder ein gemeiner, oder böser oder oder oder. Aber nett, das bin ich nicht immer.
Setzt mir nen Helm auf und zwingt mich dazu was Orangenes zu tragen und ich bin definitiv nicht nett zu euch!
Und jetzt komme ich zu den Beachboys und zu Sansibar. Und mit Beachboys meine ich jetzt keine hotten Surferboys, sondern schlichtweg die Strandverkäufer, die (nicht nur) in Sansibar eben Beachboys genannt werden.
Die Sache mit den Beachboys und warum keiner nett zu ihnen ist
Jeder kennt sie und irgendwie ist kaum einer nett zu ihnen. Oft zu recht, weil jeder kennt die Geschichten, wenn die Strandverkäufer einfach nicht locker lassen, manchmal auch unverschämt werden und einem dadurch einen Urlaubstag versauen können. Und weil Menschen einfach nunmal oft in Schubladen denken, geht man von aus, dass die auf der ganzen Welt so sind. Kennt man einen, kennt man alle.
Sind die Beachboy auf Sansibar anders?
Und da lieg ich nun, seit knapp zwei Stunden bin ich in Kendwa am Strand und hatte bis jetzt einfach meine Ruhe, keiner hat mich beachtet, keiner hat mit mir geredet. Na gut, der Mann an der Rezeption, der meinte: „You’re alone here?“ „Yes“ „Don’t worry, many beach boys“. Noch nichtmal richtig eingecheckt wird man hier schon abgecheckt, dachte ich mir und bereitete mich innerlich schon mal auf die Strandbelagerung ein. Zeit für die nicht-nette Yvonne.
Nichts. Kein Mensch. Es ist Nebensaison.
Ich starre aufs Wasser und bin einfach mal ganz ruhig. Ich mache nichts. Gar nichts. Bin einfach da und genieße.
Dann höre ich Gekeife und laute hektische Stimmen „No, go, go. Leave me alone“ – Irgendsowas in der Art… Es ist mir unangenehm, es zerstört die heile Welt, in der ich mich gerade befinde. Es sind Touristen, die einen der Beachboys anbrüllen. Und das finde ich nicht nett, weil die Art und Weise mich einfach stört. So aggressiv, so überheblich. So will ich nicht sein. Und als der erste Beachboy dann an mir vorbeiläuft und ein lässiges „Jambo“ (das, wie ich gehört habe, nur für Touristen verwendet wird) in meine Richtung wirft, antworte ich mit „Mambo“, er grinst und sagt „poa“ – cool. Was in diesem Fall keine Bemerkung zu meinem Suahili ist, sondern schlichtweg das, was man auf „mambo“ so antwortet. Er fragt, ob ich was kaufen will. Ich grinse und sage, nein und schiebe noch ein „asante“ (danke) hinterher. Er zuckt mit den Schultern, grinst und geht weiter.
So geht es die nächsten Stunden weiter. „Hallo. Wie gehts? – Gut, danke. – Willst du was kaufen? – Nein, danke. – OK, Tschüss.“
Die Beachboys kommen und gehen, ich bin weiterhin nett und sie auch zu mir.
Ibrahim (und er meinte, er hätte auch noch einen anderen Namen, an den ich mich jetzt aber nicht mehr erinnern kann) zum Beispiel.
Eines Tages, mein ganzer Körper juckte von der Quallenattacke vom Vortag, kam er mal wieder den Strand entlang gelaufen. „Mambo. How are you“ „Ahhh, not so well“ Ich bin halt ehrlich. Nach einigem Oh und Ah und Hm, meinte er, dass er eine Geheimmedizin für mich hat. Fünf Minuten später war er wieder da, eine Fanta Flasche in der Hand in der eindeutig keine Fanta war. Es roch nach Essig. Es sei aber mehr als Essig. Geheimmedizin. Auf die betroffenen Stellen soll ich das auftragen und ihm einfach vertrauen, das würde helfen. Es half. Er grinste und wünschte mir noch einen schönen Tag und weg war er. Einfach so. Weil er nett ist. Weil ich nett zu ihm war, war er nett zu mir. Und sonst nix.
Oder Kili, der Massai vom Festland, der einzige, der sich ganz legal im Hotel aufhalten durfte. Alle anderen Beachboys durften eine imaginäre Linie am Strand nicht überschreiten, ohne dass der Wachmann kam und sie fortscheuchte. Selbst, wenn ich mich gerade nett unterhalten habe, ja, ich bin dann einfach auch hinter die Linie gegangen, ist Quatsch, aber soll ja auch der Sicherheit der Touristen dienen. Blabla. Aber ich wollte euch ja von Kili erzählen. Eigentlich heißt er Kilimandscharo und hat seinen Stand im Restaurant des Hotels, wenn er singt ist seine Stimme glockenhell. Als er mitbekam, dass ich Deutsche bin kam er mit einer Postkarte um die Ecke, die er wohl schon seit Monaten bei sich trägt, geschrieben von deutschen Urlaubern, adressiert an ihn persönlich. Warum sie ihm auf deutsch geschrieben haben weiß ich nicht. Vielleicht haben sie sich einfach nichts dabei gedacht, vielleicht dachten sie auch, da wird schon jemand da sein, der deutsch kann. War aber wohl nicht so, oder zumindest niemand, dem er die Postkarte zum übersetzen geben wollte. Als ich sie ihm vorlas, strahlten seine Augen.
Und dann war da noch Adam, der sich die ganze Zeit für sein schlechtes Englisch entschuldigte und irgendwann dann sagte „Danke, dass du so nett bist zu mir, es macht mich immer glücklich, wenn Menschen nett zu mir sind, die meisten Touristen sind es nicht.“
Das hat mich zum Nachdenken gebracht.
Manchmal ist es so einfach, Menschen glücklich zu machen. Und sind wir mal ehrlich, klar wollen die Strandverkäufer Geld mit den Touristen verdienen. Und genauso klar ist es doch, dass die meisten Touristen mehr Geld zur Verfügung haben. Tut es denn so weh, ein bisschen davon herzugeben? Und tut es denn so weh, einfach mal nett zu sein? Ich sage ja gar nicht, dass alle Strandverkäufer dieser Welt nette Menschen sind und ich sage auch gar nicht, dass alle Touristen nicht-nette Menschen sind, die nichtmal einen Euro hergeben wollen, aber manchmal da geht es doch gar nicht um den einen Euro oder „die Touristen“ oder „die Strandverkäufer“ an sich. Manchmal geht es einfach darum, dass man andere Menschen genauso behandeln sollte, wie man selbst behandelt werden will. Mit Respekt. Und falls man nett zu jemandem ist, der im Gegenzug nicht nett zu einem ist, dann kann man ja immer noch den Schalter umlegen. Hört einfach auf euer Bauchgefühl, nicht jeder, von dem ihr denkt, dass er euch Böses will, will euch tatsächlich nur übers Ohr hauen. Manche sind auch einfach nur nett. Und manche sind einfach nur Jungs, die versuchen ihren Lebensunterhalt am Strand zu verdienen und manchmal ihre Taschen auf die Seite legen und Fußball spielen und dann isses auf einmal völlig egal, wer Tourist ist und wer nicht.