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Das erste Mal Langstrecke und dann gleich Business Class.

Vor meinem ersten Langstreckenflug war ich mega aufgeregt. Zum ersten mal raus aus Europa. Im Hinterkopf hatte ich die vielen kleinen holprigen Flüge nach Berlin, Stockholm oder Oslo. Keine Beinfreiheit, Schulter an Schulter mit den Nebensitzern und die einzige Unterhaltung ist das Security-Schauspiel der Flugbegleiter. Bisher gab es für mich nur Kurzstrecke und dann liegt auf einmal ein Langstreckenflug mit Singapore Airlines vor mir, ausgerechnet auch noch nach Australien. Na das kann ja heiter werden.

„Du brauchst auf jeden Fall Trombosestrümpfe und ne Nackenrolle. Oh und lad dir deine Lieblingsplaylist aufs Handy und schau, dass du auch ein paar Filme auf dem Laptop hast, mich nervt manchmal nach ner Weile nämlich das Bordprogramm.“ Mit diesen Worten bereitet mich Yvonne vor.

Schnitt. 3 Tage später.

„Wie ist das denn jetzt mit Zagermann? Bleibt es so, wie wir es besprochen haben? Ich erreich die anderen leider nicht. Ich mach dann einfach mal ein Upgrade.“

Upgrade. Bisher kannte ich dieses Wort ja eigentlich nur in einem anderen Zusammenhang: „Johannes, mein Computer will wieder ein Upgrade machen. Das ist aber kein Virus oder?“ – „Nein Mama, keine Sorge – klick einfach auf ok…“

Ein bisschen nervös mache ich mich auf den Weg durch die Sicherheitskontrolle hin zu meinem Gate. Auf dem Weg dorthin suche ich noch nach einem Flughafenshop – Trombosestrümpfe. Sicher ist sicher. Mein Handgepäck ist jetzt vorbereitet: alle meine Lieblingsplaylists offline verfügbar und dazu noch ein paar Filme, damit es mir nicht langweilig wird und eben diese Trombosestrümpfe, die mich an Krankenhäuser erinnern. Yvonne sagt dazu übrigens auch gerne mal Flugsocken, hört sich irgendwie besser an.

Soweit ist alles wie immer. Sicherheitskontrolle wie immer, der Weg zum Gate wie immer und der Wartebereich ist auch wie immer. Auch der Aufruf zum Boarding ist eigentlich fast so wie immer. Nur dieses Mal darf ich vor allen anderen einsteigen. Business Class. Der absolute Wahnsinn. Wirklich viel wusste ich davor nicht darüber… das war ja sonst immer so weit weg. Eher was für Manager in Anzügen. Mit Handgepäck, das man funktional zusammenstecken kann. Und mit nem Headset am Ohr.

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Mit meiner ausgewaschenen Jeans, den eingelaufenen Sneakers und meinem Jutebeutel auf der Schulter betrete ich das Flugzeug und suche meinen Platz. Im Hinterkopf: „Die schmeissen mich sicher gleich wieder raus.“ Normalerweise kommt man ja beim Einsteigen nicht wirklich voran. Bis alle Leute in der Schlange davor endlich mal ihren Platz gefunden haben, ihr Handgepäck verstaut haben und dann irgendwann den Weg frei machen, kann dauern. Doch hier ist es anders. Als erstes fallen mir die breiteren Wege auf. Zumindest wirkt es für mich so. Und dann natürlich die hellbraunen Sessel, die für jeden Fluggast mit weichen Kissen vorbereitet sind. Ja genau, man soll es sich hier gemütlich machen. Und sich wohlfühlen. Das geht eben auch schon beim Einsteigen los – bequem und ohne zu Warten komme ich zu meinem Platz und werde direkt von den freundlichen Flugbegleitern gefragt, ob ich Hilfe benötige. Dabei werde ich mit meinem Namen angesprochen. Ich erschrecke. Natürlich. Welcher Normalo ist es schon gewohnt, bei einem Flug mit seinem Namen angesprochen zu werden?

Nach diesem kurzen Schreck mache ich es mir in meinem Sitz bequem. Sitz ist untertrieben. Bei Sitz denkt man ja eher an was Praktisches aus Holz oder Plastik. Nein, das ist schon viel mehr ein breiter Sessel mit jeder Menge Beinfreiheit und allerlei Schnickschnack. Mein Blick schweift über die anderen Plätze und vor allem die Leute, die dort sitzen. Mir fallen ein etwas schwergewichtigerer Amerikaner in Sportklamotten, eine Familie mit zwei Kindern und neben mir ein Herr in grünem Polo-Shirt und Basketballschuhen auf, der bevor ich überhaupt richtig saß, einen Drink in der Hand hatte.

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Von dem Weg zur Startbahn bekomme ich nichts mit. Keine ruckelnden Bewegungen, dröhnende Triebwerke oder blinkende Lichter wie sonst. Der einzige Hinweis, dass wir noch nicht abgehoben sind: Ich werde gefragt, ob ich vor dem Abflug noch ein Getränk möchte und welches Getränk ich gerne hätte, wenn wir in der Luft sind. Bescheiden entscheide ich mich für Apfelschorle und ein Wasser.

Zeit für den zagermannschen Funktionstest. Immer wenn ich irgendwo sitze, probiere ich aus, was ich alles machen kann – sei es im Auto, im Zug oder eben im Flieger. Was lässt sich hoch- oder runterklappen? Gibt es irgendwelche Buttons oder versteckten Funktionen? Im Herzen bin ich eben wohl doch ein kleiner Nerd. Auf der einen Seite sind Fächer für Zeitschriften und Menü-Karten, mit Essen und Trinken, was man alles bestellen kann. Es gibt eine riesige Auswahl. Bisher war ich ja eher Butterbrezel und Wasser gewohnt. Hier gibt es aber irgendwie alles. Ganze Menüs mit mehreren Gängen kann man bestellen, verschiedene Weine und Cocktails. Es fühlt sich nicht an, als wäre ich in einem guten Restaurant. Während ich die Karte lese, kommt eine der freundlichen Flugbegleiterinnen zu mir, lächelt mich an und fragt, ob ich zur Erfrischung ein warmes Handtuch möchte. Ich nicke und wische mir damit durchs Gesicht. Tut gut. Ungewohnt, aber gut.

Kurz darauf wird auch schon die Bestellung aufgenommen. Ich entscheide mich für das Menü mit dem Rinderfilet. Medium. Das muss man sich mal vorstellen – wir sind in einem Flugzeug, mehrere Kilometer über der Erde und ich bestelle ein Stück Rindfleisch – Medium. Viele Restaurants kriegen das ja nicht mal hin – ich bin gespannt.

Ich lehne mich zurück in meinen Sessel, mach es mir in den Kissen bequem. Ich ziehe meine Schuhe aus, schlüpfe in hausschuhartige Socken, die ich bekommen habe und lege meine Füße hoch. Richtig. Es gibt es gepolsterte Ablagen für die Füße. Das, was man sich auf so vielen Flügen schon gewünscht hat: Einfach mal die Füße hochlegen. Es tut einfach gut und ich fühle mich immer wohler.

Zu meinem Sitz gehört auch ein kleiner Fernseher. Fernseher ist aber irgendwie untertrieben. Nennen wir es Mediasystem. Bevor ich es ausprobiere, sehe ich, dass neben dem Display kleine Fächer sind. Ich drücke drauf und die Fächer öffnen sich: Inklusive USB-Anschluss. Perfekt – direkt mal das Handy laden. Auf meinem Smartphone sehe ich, das ein WLAN verfügbar ist… mir fällt kurz die Kinnlade runter. Wie geil ist das denn? WLAN im Flugzeug. Und vor ner Weile hieß es immer, man solle doch alle Geräte ausschalten. Ist ja klar, dass ich direkt ne Verbindung haben möchte. Denkste. Es gibt zwar Wifi, aber eben nur begrenzt. Für 10$ gibt es 10MB. Einfache Rechnung, aber dann doch nicht mein Fall. Ich lege das Handy in das Fach und denke, dass ich auch ein anderes Mal meine Mails noch lesen kann.

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Der erste Gang kommt. Aus dem Seitenfach des Sitzes ziehe ich einen Klapptisch. Bevor serviert wird, wird eine Tischdecke ausgelegt. Immer wenn ich denke, dass es nicht noch krasser geht, wird nochmal eine Schippe oben drauf gelegt. Zu jedem Gang werden mir ausgesuchte Weine angeboten. Irgendwann kommt das Rind. Medium. Perfekt.

Zwischen den Gängen hab ich mich mal mit dem Mediasystem vertraut gemacht. In einem Staufach liegen gute On-Ear-Kopfhörer, in der Armlehne eine Fernbedienung. Es gibt Spiele, Filme und Serien. Alles was das Herz begehrt. Ich stöbere durch die Serien. Stop. Zurück. Mister Bean. Wie lange hab ich Mister Bean schon nicht mehr gesehen? Ich grinse und schaue während des Essens ein paar Folgen. Wohlfühlfaktor hoch 100.

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Nach dem Essen werde ich etwas mutiger und bestelle mir einen Gin & Tonic. In der Luft, einer der besten, die ich je getrunken habe. Ein dickes Programmheft liegt neben mir, darin stehen alle Filme und Serien, die man sich im Boardprogramm ansehen kann. Und Spiele. Und Musik. Eine fast schon grenzenlose Auswahl mit knapp 300 Filmen und unzähligen Serien. Neueste Filme aus Hollywood, alte Klassiker und weniger bekannte Indie-Filme. Ich bin baff. Ich weiß nicht, mit welchem Film ich anfangen soll. Die Auswahl ist fast zu groß für mich. Wie ein Kind im Spielzeugladen. Die Musik und die Filme auf meinem Handy brauch ich erstmal nicht mehr.

Ein kleiner persönlicher Filmabend beginnt. Nach Filmen wie Seven, What we do in the shadows und St. Vincent bin ich irgendwie noch nicht wirklich müde. Während den Filmen wurden meine Getränke aufgefüllt und in regelmäßigen Abständen Handtücher zur Erfrischung gereicht. Ein perfekter Filmabend. Irgendwann musste ich feststellen, dass alle andere um mich rum wohl schon geschlafen haben. Eine der freundlichen Flugbegleiterinnen kommt auch schon zu mir und fragt, ob ich nicht schlafen könne, sie würde mir gerne das Bett aufklappen. Bett? Ja genau, der Sitz lässt sich mit 2-3 Handgriffen mal eben zu einem kompletten Bett umbauen. Inklusive Bettdecke und bequemem Kissen. Ich kann mich mit meinem knapp 1.80 komplett ausstrecken und fühl mich fast wie in meinem eigenen Bett. Oder zumindest wie in einem guten Hotelbett.

Nach einigen Stunden wache ich erholt auf. Nicht so wie sonst: Keine Nackenschmerzen weil ich mich zum Schlafen mit dem Kopf gegen den Vordersitz gelehnt habe. Kein Vergleich zu allen Flügen bisher. Kaum bin ich richtig wach, bietet man mir Getränke, Snacks und Kaffee an. Ein Traum. Guten Kaffee findet man ja nicht überall, aber hier, ein paar Kilometer über dem Meer schmeckt er. Und tut gut. Dazu Musik aus dem Boardprogramm und gute Aussicht. Was will man mehr?

Bevor wir landen werden wieder alle Betten zu Sitzen umgebaut, das Boardprogramm abgeschaltet und die wuselnden Flugbegleiter setzen sich gefühlt zum ersten Mal hin. Von der Landung selbst bekommt man wieder wie beim Start kaum was mit. Alles geht butterweich und wie von Zauberhand.

Am Gate angekommen, fragt mich eine der Flugbegleiterinnen, ob sie noch ein Foto von mir machen soll, als Erinnerung. Wenn ihr das Foto anschaut, seht ihr, dass ich vielleicht noch etwas müde, dafür aber entspannt und glücklich aussehe und man sieht mir auch genau an, dass ich es eigentlich noch immer nicht glauben kann: da fliege ich das erste Mal Langstrecke… und dann gleich Business Class. Wenn ich es mir ansehe, sehe ich, dass sich ab diesem Moment so einiges verändert hat. Normale Sitze in Flugzeugen werden sich anfühlen wie eine Holzbank, normales Boardprogramm wird nach 10 Minuten langweilig und normales Getränkeangebot wird mir wie ein Witz vorkomenn. Versaut auf Lebenszeit.

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Seid ihr schon mal Business Class geflogen? Oder vielleicht sogar First Class? Was kann da noch besser sein?

Hinweis: Ich wurde von Singapore Airlines zu diesem Flug eingeladen.

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