Eine Geschichte über Fallschirmsprünge, Langeweile und mich
„Fallschirmspringen? Ja, hab ich schon mal gemacht. Fand ich langweilig.“ Und dann kommen die großen Augen beim Gegenüber und ich sehe genau, wie sich in ihren Köpfen die Frage bildet: „WAS stimmt mit der nicht?“.
Hi, ich bin Yvonne und ich finde Fallschirmspringen langweilig.
Ich weiß noch genau, wie ich 2011, am Abend vor meinem ersten Fallschirmsprung, auf dem Boden meines Hotelzimmers saß, Musik gehört habe und so aufgeregt war, wie wohl noch nie zuvor in meinem Leben. Ich bin ja an sich ein (abenteuerlicher) Angsthase, hab vor meinem ersten Tauchgang geheult wie ein Baby, und auch sonst oft genug den Schwanz eingekniffen. Aber damals wollte ich nicht kneifen, also eigentlich schon, aber ihr wisst schon, Gruppenzwang und so, man will sich vor den anderen, die sich alle (ok, die meisten) so furchtbar drauf gefreut haben, ja nicht blamieren. Und als ich dann am nächsten Tag an der Reihe war, nach zwei Stunden warten und mich furchtbar langweilen, wollte ich es einfach nur noch hinter mich bringen. Den tatsächlichen Sprung aus dem Flugzeug hab ich irgendwie verpasst. War viel zu sehr abgelenkt vom Fotografen und darauf konzentriert, mein Gesicht zu kontrollieren. (Und wie das Foto unten zeigt, hab ich das auch ganz gut hinbekommen, darauf bin ich übrigens immens stolz).
Der freie Fall war unfassbar kalt und der Wind peitschte mir ins Gesicht und als der Fallschirm aufging, zogen die Gurte irgendwie überall und es tat weh und ich hatte danach auch wirklich ein paar unschöne blaue Flecken. Bei der Landung hab ich mich n bisi blöde angestellt und lachte aber dabei. Alle anderen hatten ja auch gelacht. Und sich gefreut. Also tat ich das auch. Aber die anderen waren noch stundenlang völlig high vom Adrenalinrausch und grinsten über beide Backen und sagten, das war das Tollste, was sie je gemacht hatten. Ich saß da und grübelte. Ich hatte keinen Adrenalinrausch. Ich fühlte mich auch nicht anders. Ich war nicht stolz auf mich, weil ich was unfassbares geschafft hatte. Es war ok. Aber auch nicht mehr. Ja, lange Zeit habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was denn nun mit mir nicht stimmt. Warum ich kein Hochgefühl empfunden habe. Warum ich nicht stolz auf mich war, das geschafft zu haben. Irgendwann klingelte es. Ich hatte ja gar nichts gemacht. Hatte mich einfach nur dranhängen lassen. Gesprungen ist eigentlich ein anderer. Und dadurch hatte ich etwas Wichtiges über mich gelernt: wenn ich stolz auf mich sein will, wenn ich mich himmelhochjauchzend fühlen will, dann muss ich Dinge selbst anpacken. Und das finde ich irgendwie gut.
Soviel dazu. Dann kam der Tag, an dem ich erneut aus einem Flugzeug springen sollte. Dieses Mal über dem tiefsten Punkt der Erdoberfläche, am Toten Meer in Jordanien. Doch der Himmel hatte nich wirklich Lust darauf, mehr und mehr Wolken zogen auf. In Jordanien regnet es im Durchschnitt an einem Tag im Oktober. Dieses Jahr war es der 19. Oktober. Keine guten Bedingungen für einen Fallschirmsprung.
Wenn der Himmel sich nicht bald aufklären würde, dann würden wir nicht springen. Einerseits war ich darüber froh, ehrlich gesagt hatte ich nämlich doch auch ein bisschen Schiss. Andererseits wollte ich wissen, ob sich meine Theorie bestätigt. Springen oder nicht springen? Ich entschied, mein Schicksal einfach dem Wetter zu überlassen. Klärt es sich auf, springe ich. Wenn es bewölkt bleibt, dann springe ich eben nicht.
Wir warteten. Mal wieder. Und ich langweilte mich. Mal wieder. Gehört – bei mir – wohl irgendwie dazu zum Fallschirmspringen. Aber ich wollte es jetzt. Ich wollte wissen, wie es sich beim zweiten Mal anfühlt. Ich wollte wissen, ob es mir Spass machen würde, ob ich im Flugzeug auf dem Weg nach oben doch noch kneifen würde, ob ich wieder die einzige sein würde, die nicht total high danach ist.
Und dann zogen die Wolken auf und es ging los.
Und ich, ich dachte mir: ich will jetzt einfach Spaß haben. Jeden Moment genießen und mich nicht wieder ablenken lassen. Vor allem diesen einen Moment, diese eine Sekunde kurz vor und kurz nach dem eigentlichen Sprung aus dem Flugzeug.
Und dann war ich an der Reihe. Und mal wieder ging alles ganz schnell, aber darauf war ich vorbereitet. Ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, alles in mich aufzunehmen. Und dennoch konnte ich nicht widerstehen zu versuchen den Kameramann anzulächeln. Doch das klappte nich so wirklich (daher gibt es davon heute auch kein Foto für euch). Mein Kopf wurde zurückgedrückt. Kinn hoch. Dann. Der Sprung. Ein Schrei. Ein langer Schrei. Ein WOOOOOOO. Ein bisschen Wirbeln in der Luft, mal selber an den Strippen ziehen und dann eine sanfte Landung. Der Sprung war viel kürzer als beim ersten Mal, da wir aufgrund der Witterungsverhältniss nich so hoch fliegen konnten. Beim ersten Fallschirmsprung war es aus circa 4km Höhe, der zweite war gerade mal aus 2,5km.
Ich hatte es wieder getan. Und ich hatte Spass dabei. RIESEN Spass. Aber ein krasser Adrenalinschub? Nein, der blieb auch dieses Mal aus. Aber es ist auch nicht so, dass ich den Sprung langweilig fand, nein. Es war mehr so ein „Yeah, das war geil.“ Dasselbe Gefühl, dass ich habe, wenn ich was mache, was mir Spass macht.
Wie ein perfekter Abend mit guten Freunden.
Lachen, bis die Tränen kommen.
Auf dem Rummel Boxauto fahren.
Mein Gepäck durch einen Fluß im Dschungel tragen müssen, weil das Auto nicht durch kommt.
Luftpolster-Folie zerplatzen lassen.
Die dritte Pina Colada an einem schönen Strand.
Popcorn im Kino.
Dinge, die man tut und dann sagt: Das war toll, das sollten wir öfter machen. Die einen einfach glücklich machen. Nicht stolz. Stolz bin ich auf andere Dinge. Aber vielleicht ist das einfach so, dass man auf einen Fallschirmsprung nicht stolz sein muss, sondern sich einfach drüber freuen kann. Und ja, ich würde es wieder tun. Einfach so, aus Spaß an der Freude. Beweisen muss ich mir damit gar nichts. Und ja, langweilig finde ich es auch nicht mehr. Wahrscheinlich war mein „Ich finde Fallschirmspringen langweilig“ nur eine extreme Gegenreaktion auf den extremen Adrenalinschub der anderen.
Fakten und Infos zum Fallschirmspringen in Jordanien
- Ich bin mit SkyDive Jordan gesprungen, die ich wirklich sehr empfehlen kann, cooles Team! (Mal unabhängig davon, dass die soweit ich das recherchiert habe, im Moment die einzigen sind, die Fallschirmsprünge in Jordanien anbieten)
- Ein Fallschirmsprung kostet umgerechnet circa €287
- Bitte beachtet, dass ihr 24h warten müsst bevor ihr aus einem Flugzeug springt, falls ihr davor Tauchen wart
Wart ihr schon mal Fallschirmspringen? Hat es euch gefallen? Und wenn nicht: würdet ihr es gerne mal machen?
Hinweis: Dieser Artikel ist Teil der #GoJordan Kampagne von iambassador in Zusammenarbeit mit VisitJordan.