| |

Es war einmal in Lappland

Gastartikel von Johannes Zagermann

Ein Jahr ist es nun her. Ein kleines Abenteuer in meinem Leben. Frei nach dem Motto: Into the wild.

Wildnis ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber das, was ich da alles in Lappland erlebt habe, ist auf jeden Fall ganz oben auf meiner Liste der schönen Dinge und ganz tief in meinem Herzen.

Lappland? Was ist das? So geht es vielleicht dem ein oder anderen, der das Wort liest. Lappland ist eigentlich kein eigenständiges Land, sondern viel mehr eine Gegend im Norden Skandinaviens. Grenzen? Denkste! Das Gebiet streckt sich über die Länder Norwegen, Schweden, Finnland und Russland und ist berühmt für seine atemberaubende Natur, jede Menge Schnee im Winter… und natürlich die Polarlichter.

Hast du die Polarlichter gesehen? Jap. War es kalt? Jap. Hast du den Weihnachtsmann besucht? Nö.

Diese Fragen stellt einfach jeder, der noch nicht in Lappland war. Doch Lappland bietet soviel mehr. Doch nun der Reihe nach.

Es war unangenehmes Regenwetter als wir an diesem Nachmittag in den Bus von Scanbalt Tours in Stockholm gestiegen sind. Ja genau, Regenwetter. Im Januar 2012. In Schweden. Irgendwie nicht so wie gedacht. Doch das sollte sich ändern. Von Stockholm ging es an der Ostküste Schwedens rund 1200km gen Norden. So ne Busfahrt ist lustig. Komische unbekannte Leute, noch letzte Buchungen mit zittriger Internetverbindung für irgendwelche Ausflüge und dann noch diese Filme, die eigentlich keiner sehen will, die aber ganz gut die Zeit überbrücken. Und plötzlich sieht man durch das Fenster nur noch schwarz-weiß. Stockdunkel und überall Schnee. Endlich!

Nach geschätzten 18 Stunden Fahrt sind wir morgens gegen 8 etwas übernächtigt und gerädert in unserem Hostel in Kiruna angekommen. Kiruna ist die nördlichste Stadt Schwedens – entsprechend viel Schnee und wenig Grad hat es. Im Hostel blieb uns dann in etwa eine Stunde, bis die erste Tour losging. Dank unserem Tourguide Marii lief alles bestens. Kombiticket für Schneemobil und Hundeschlitten gebucht. Zack, wird man pünktlich am Hostel abgeholt und sicher über die verschneiten Straßen zum gewünschten Ort gebracht. Wir waren eine Gruppe von 18 Personen und durften uns zunächst mit warmen Overalls und noch wärmeren Stiefeln eindecken. Die braucht man aber auch. Spätestens eine halbe Stunde später auf dem Schneemobil würde man es sonst bereuen. Nach ein bisschen Fahrschulunterricht durften die ersten in Zweiergruppen auf ihre Schneemobile. Der Instructor fährt voraus, der Rest hinterher. Erst ganz langsam und dann Vollgas. Der eiskalte Wind fliegt einem nur so um die Ohren und man ist morgens um 10 froh, dass das Schneemobil beleuchtet ist. Auch das ist Lappland. Im Winter geht die Sonne nie ganz auf, doch der Schnee ist hell. Nach einer Weile war ich dann dran. Angehalten, ein Schulterklopfen beim Vordermann, Schichtwechsel. Schwer sind diese Dinger! Aber Power haben sie. Man zieht nur ein bisschen am Gashahn und zack, düst man mit 80 km/h durch den Schnee. Zur Not hat man ja nen Helm auf. Sportlich mit Rennstreifen versteht sich.

Unterwegs machten wir Halt und wärmten uns mit heißem Kaffee am Lagerfeuer auf. Schneemobil und Kaffee? Das war das Kombiticket? Nein! Wir waren ja nicht allein am Lagerfeuer. Dort warteten sie schon. Unsere Schlitten. Und vor allem: unsere Schlittenhunde! Diese kleinen Hündchen sollen uns auf dem Schlitten ziehen? Aber hallo! Vor jedem Schlitten war rund ein Dutzend Hunde gespannt, die es gar nicht mehr erwarten konnten, uns durch die Wildnis zu ziehen. Vier Leute auf dem Schlitten und ein Schlittenführer (der die Hunde durch seine Rufe lenkte) kamen zwar nicht auf die 80 Sachen wie das Schneemobil, aber der natürliche Düsenantrieb der Hunde hat wohl noch das ein oder andere km/h rausgekitzelt.

Die Stadt Kiruna bietet aber noch mehr. Die Stadt gibt es nur, weil dort das weltweit größte Eisenerz-Bergwerk ist (das man natürlich auch besuchen kann). Und die Arbeiter müssen ja irgendwo wohnen. Die Häuser und Straßen sind übrigens so angeordnet, dass es nicht zieht. Windig ist es nämlich. Und weil die Mine so groß ist, wird Kiruna jetzt einfach mal 5km nach Osten verschoben.

Was ist noch im Osten von Kiruna? Jukkasjärvi. Ja… und? Naja, dort ist das berühmte ICEHOTEL. Das wird jedes Jahr neu aufgebaut und Designer aus der ganzen Welt bewerben sich dafür, die einzelnen Räume gestalten zu dürfen. Für die bessere Durchlüftung haben die Hotelzimmer keine Türen. Nur Felle, die den Eingang verschließen. Felle liegen übrigens auch auf den Betten aus Eis. Bei -5 Grad kann man es sich nachts gemütlich machen und wenn es einem doch zu kalt ist, kann man in der dazugehörenden ICEBAR den wärmenden Vodka stilecht aus Eisklötzen trinken. Diese werden übrigens später in den Fluss Torne geworfen… dann haben die Fische auch noch was davon.

Im ICEHOTEL kann übrigens geheiratet werden. Jeden Winter trauen sich 100 Paare in der hoteleigenen Eiskirche. Allerdings nicht in dicken Mänteln, Strickmützen und Moonboots. Sondern in Anzug und Kleid. Sieht ja auch auf Bildern besser aus. Gänsehaut? Photoshop! Eiserprobte Familien lassen übrigens auch ihre Babies dort taufen. Wenn das mal keine Wikinger werden…

Nach unserem Ausflug ins ICEHOTEL stand ein weiteres Highlight auf dem Programm. Ein Treffen mit Samen und Rentieren. Die Samen (ein Sami, zwei Samen) sind ein indigenes Volk, das in Lappland lebt und Rentiere züchtet. Nachmittags um 2, es war bereits Nacht, besuchten wir einen älteren Herrn, seine Frau und eine ihrer Enkeltöchter. Mit Stolz präsentierte er uns seine Rentierzucht und mit getrocknetem Moos konnten wir die Tiere sogar füttern. Später durften wir in einer Holzkote, der traditionellen Behausung der Samen, den Gesängen seiner Frau und der Enkeltochter am Lagerfeuer mit Rentierfleisch zuhören.

Kiruna ist zwar die nördlichste Stadt Schwedens, aber wer Polarlichter sehen will, sollte am besten noch weiter in den Norden fahren. Deswegen sind wir mit dem Bus weiter nach Abisko gefahren. Polarlichter, Northern Lights, Aurora Borealis – klingt schön. Ist es auch. Am klaren Nachthimmel sieht man mit etwas Glück rauchähnliche, farbige Schwaden. Bei uns waren sie Grün. Ein wunderbares Grün. Hellleuchtend. Mit leichten Wellenbewegungen. Bewegend.

Den Weg zur Aurora Sky Station kann man sich sparen. Hat man den richtigen Zeitpunkt erwischt, leuchten einem die Farben von überall entgegen. Vielleicht sogar beim Abkühlen im nahegelegenen See. Abkühlen? Ja genau, abkühlen. Das gehört nämlich dazu. Wenn nicht wetterbedingt der Schornstein der Saunahütte einkracht, kann man nämlich die Hitze der Sauna genießen und anschließend in den See springen. Härtet ab sagt man. Wir mussten auf die hauseigene Sauna der STF Abisko Turiststation ausweichen – trotzdem wollte sich kaum einer den Spaß im Tiefschnee entgehen lassen. Aufheizen und abkühlen. Immer und immer wieder… und am nächsten Tag waren alle krank. Nicht! Härtet wohl wirklich ab.

Nochmal zurück zur Eisenerzmine. Wie kommt eigentlich das ganze Zeug in die große weite Welt? Mit der Bahn. Mit der Bahn? Mit der Bahn! Also zuerst mit der Bahn und dann geht’s auf das Meer. Aber erst in Norwegen. Das kleine Städtchen Narvik ist nicht weit von Abisko und auf jeden Fall einen Abstecher wert. Die Stadt war während des Zweiten Weltkriegs in deutscher Hand. Das Eisenerz aus Kiruna wurde für deutsche Waffen benötigt. Vielleicht wird man als Deutscher deswegen etwas kritischer angesehen – muss man sich ja aber nicht anmerken lassen, für Adiletten und Tennissocken ist es trotz Golfstrom noch zu kalt. Die Fahrt nach Narvik führt durch eine atemberaubende Landschaft voller Berge, Seen und einigen wenigen Holzhäusern.

In Abisko beginnt übrigens der nördliche Teil des Kungsleden, zu deutsch Königspfad, ein Wanderweg. Ich hab es mir natürlich nicht nehmen lassen, zumindest ein paar wenige Kilometer des Weges zu gehen. Während sich ein Großteil meiner Gruppe für Eisklettern oder Schneeschuhwandern entschieden hat (was übrigens direkt in der Turiststation gebucht werden kann, falls man sich den Spaß leisten will), packte mich die Abenteuerlust und ich bin einfach mal drauflosgelaufen. Allein. Mütze auf, Handschuhe an. Hätte meiner Kamera auch gut getan. Die hat sich nämlich dank der Kälte in einen tiefen Winterschlaf gelegt. Doch die Bilder sind trotzdem da, in meinem Kopf. Ein Weg quer durch Lappland, um einen herum nur Schnee, ein paar Bäume. Fährten von Tieren. Berge und plätscherndes Wasser. Sonst nichts und niemand.

Ab und zu begegnet man anderen Wanderern. Man freut sich, dass deren Backen genau so rot sind und deren Haare genau so weiß gefroren sind, wie die eigenen. Nach einigen Kilometern traf ich auf eine kleine Gruppe, die sich augenscheinlich verlaufen hatten. Wir teilten uns auf – die einen gingen den Weg zurück, auf dem ich gegangen war, die anderen und ich entschlossen uns, eine „Abkürzung“ zurück zur Turiststation zu nehmen. Schade, dass Yvonne mir den Kompass nicht schon ein Jahr früher geschenkt hat. Nächstes Mal nehm ich ihn mit.

***************************************************************************

Johannes ist Yvonnes Bruder und studiert in Konstanz Mensch-Computer-Interaktion. Sein Studium brachte ihn für ein halbes Jahr nach Schweden. Als Abschluss seines Auslandssemesters zog ihn die Abenteuerlust weiter in den Norden. Er ist begeistert von Skandinavien und plant bereits seine nächste Tour auf der Suche nach Schnee, Rentieren und den Polarlichtern. 2012 hat er den Preis für den besten Bruder bekommen: einen Kompass. Wohin wird ihn dieser Kompass führen und wird er 2013 seinen Titel verteidigen?

Ähnliche Beiträge